Wenn Gedanken tanzen
– das Innenleben von ADHS, ADS und ASS
Manche Menschen nehmen die Welt auf eine Weise wahr, die nicht der "Norm" entspricht – aber dafür umso reicher, intensiver und einzigartiger.
ADHS, ADS und ASS sind mehr als medizinische Begriffe. Sie beschreiben besondere Arten, zu denken, zu fühlen, zu leben. Für Aussenstehende mag es manchmal wirken wie Chaos, Unkonzentriertheit oder Rückzug – doch dahinter steckt eine andere Logik, eine andere Art der Wahrnehmung. Eine, die es verdient, verstanden und wertgeschätzt zu werden.
Was steckt hinter diesen Buchstaben?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung)
Menschen mit ADHS erleben das Leben oft wie einen Strom aus Ideen, Impulsen und Emotionen. Ihr Gehirn springt schnell – manchmal schneller als der Alltag erlaubt. Sie spüren alles intensiv, sind leidenschaftlich, kreativ und voller Tatendrang – solange man ihnen erlaubt, auf ihre eigene Art zu funktionieren.
ADS (ohne Hyperaktivität)
Nach aussen ruhig, nach innen lebendig. Die Gedanken kreisen, schweifen ab – nicht aus Desinteresse, sondern weil so viel gleichzeitig wahrgenommen und durchdacht wird. ADS bringt oft eine hohe Sensibilität und feines Gespür für Stimmungen mit sich – und Menschen mit dieser Ausprägung sind häufig tiefgründige Denker*innen mit grossem Einfühlungsvermögen.
ASS (Autismus-Spektrum-Störung)
Autistische Menschen erleben die Welt detailreicher, klarer – und manchmal auch überfordernder. Sie denken oft logisch, strukturiert und aussergewöhnlich genau. Zwischenmenschliche Codes, die für andere selbstverständlich sind, können für sie verwirrend wirken. Doch sie begegnen der Welt häufig mit Ehrlichkeit, Treue und einer Tiefe, die berührt.
Alltagssituationen – durch andere Augen gesehen
1. Der Einkauf im Supermarkt.
Die Musik dudelt, Neonlichter flackern, Menschen reden durcheinander. Für viele ist das Hintergrundrauschen – für jemanden mit ADHS, ASS oder hoher Reizoffenheit ist es wie ein Sturm. Trotz Einkaufsliste geht der Faden verloren. Und doch wird oft durchgehalten – mit innerer Stärke, die kaum jemand sieht.
2. Ein Gespräch auf der Arbeit.
Ein kurzer Auftrag – doch das Gehirn springt sofort in alle Richtungen: Was war vorher? Was kommt danach? Wie soll ich anfangen? Während andere sich sortieren, ist im Kopf schon ein halber Roman entstanden. Und trotzdem wird am Ende oft eine kreative, originelle Lösung gefunden – jenseits des Gewöhnlichen.
3. Ein Treffen mit Freunden.
Lachen, Gespräche, Eindrücke – alles gleichzeitig. Es kann wunderschön sein, aber auch schnell zu viel. Rückzug ist dann keine Ablehnung, sondern Selbstfürsorge. Menschen im Spektrum oder mit ADHS/ADS sind oft loyale, tief empfundene Begleiter*innen – wenn man ihnen Raum gibt, sie selbst zu sein.
Warum es uns alle betrifft
Menschen mit ADHS, ADS oder ASS sind keine Störung. Sie sind eine Facette der Vielfalt menschlicher Wahrnehmung.
Sie denken nicht falsch – sondern anders. Ihre Stärken liegen oft dort, wo andere an Grenzen stossen: in der Kreativität, im unkonventionellen Denken, in der Echtheit, in der Fähigkeit, Muster zu erkennen, wo andere nur Chaos sehen.
Was sie brauchen, ist keine Anpassung an starre Systeme – sondern Räume, in denen sie aufblühen können. Mit Geduld, echtem Zuhören und dem Mut, Vielfalt nicht nur zu tolerieren, sondern zu feiern.
Weil jeder Mensch auf seine Weise ein Geschenk ist.